Erstbetreuungssystem im ÖPNV

(DGUV-Forschungsprojekt-Nr. FF-FP 0335)

Psychische Erkrankungen in Folge belastender oder traumatisierender Arbeitsunfälle können die Erwerbsfähigkeit nachhaltig beeinflussen. Zur Verringerung posttraumatischer Belastungsfolgen empfehlen die Unfallversicherungsträger Erstbetreuungssysteme, in denen professionelle Dienstleister oder geschulte Laien nach Unfällen Erstbetreuung leisten. Die Empfehlungen zur laienbasierten Akuthilfe weisen bisher keine ausreichende wissenschaftliche Fundierung auf. Das Forschungsprojekt wurde zur erstmaligen wissenschaftlichen Evaluation laienbasierter Erstbetreuung mit Beschäftigten des öffentlichen Personennahverkehrs als Hochrisikogruppe für posttraumatische Belastungsfolgen durchgeführt.

Im ersten Teil wurden Erkrankungsverläufe und Ausfallzeiten von 259 Beschäftigten aus zwei Verkehrsbetrieben nach Arbeitsunfällen der Jahre 2003 bis 2013 multivariat ausgewertet. Es gab drei Untersuchungsgruppen, die sich nach der Art der Erstbetreuung unterschieden (Betreuung durch Kollegen vs. Gruppenleiter vs. keine Erstbetreuung). Hier konnten nach leichteren Unfällen erhöhte Ausfallzeiten in der von Gruppenleitern erstbetreuten Gruppe ermittelt werden. Das Risiko zur Ausbildung von Belastungsreaktionen war in der Gruppe ohne Erstbetreuung signifikant niedriger als in der kollegial erstbetreuten. Unfälle mit Schwerverletzten und Toten führten zu den höchsten Ausfallzeiten und psychischen Folgeerkrankungen, ohne dass es dabei einen Zusammenhang zu den unterschiedlichen Erstbetreuungssystemen gab.

Im zweiten Teil der Studie wurden 26 kollegial betreute Fahrdienstmitarbeiter nach Arbeitsunfällen zum Erleben der Erstbetreuung und Versorgung befragt, zusätzlich wurden psychometrische Fragebögen eingesetzt. Die Ergebnisse dieses Studienteils zeigen, dass für die Wirkung von Erstbetreuungssystemen eine zeitnahe, grundlegende Bedürfnisversorgung entscheidend ist und es keinen Bedarf nach Professionalisierung der Versorgung am Unfallort gibt. Bezüglich der Weiterversorgung wurde der Bedarf nach verbesserter Abstimmung und reduzierter Anzahl der professionellen Versorgungspartner ermittelt.

Bei leichteren Schadensereignissen und gesicherter arbeitsmedizinischer Folgebetreuung scheint sich eine Versorgung ohne Erstbetreuung zumindest nicht negativ auf die erhobenen Belastungsfolgen auszuwirken. Die Fahrerbefragung zeigt jedoch, dass die Erstbetreuung einen sehr hohen subjektiven Wert hat und diese Systeme daher beibehalten werden sollten.

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